Über das Lesen
Was lesen wir gern? Warum lesen wir es gern?

Gerade kürzlich erst habe ich etwas ganz Tolles entdeckt, nämlich die kurzen und ausgesprochen witzigen Zusammenfassungen der großen Werke der Weltliteratur von Michael Sommer:  

Das ist nur ein Beispiel, es gibt noch viel, viel mehr. Aber da Stolz und Vorurteil auch ein Liebesroman ist (wenn auch in erster Linie ein Gesellschaftsroman mit satirischer Kritik an eben dieser Gesellschaft, insbesondere der Stellung der Frau im Regency, der nur in England so bezeichneten Epoche rund um das Jahr 1800 herum, in der Jane Austen gelebt und geschrieben hat und die sie somit auch kritisiert hat), liegt das natürlich auf meiner Linie. 🙂

Und was mich ebenso begeistert hat, war seine Erklärung, wie man eine Inhaltsangabe schreibt beziehungsweise was darin alles enthalten sein muss und warum. So auf den Punkt gebracht habe ich das noch nirgendwo gehört. 😎 Also besonders ein Tipp für Autorinnen, die Probleme damit haben, Inhaltsangaben für den Lesbischen LiteraturPreis zu schreiben. 🧐 

Ich habe das hier erst ab dem Punkt verlinkt, wo es um die Inhaltsangabe geht, also man muss sich das davor nicht angucken, aber das ganze Video beschäftigt sich mit Lessing und der Aufklärung, auch sehr interessant und witzig umgesetzt. Also wenn man sich dafür interessiert, darüber etwas zu lernen, kann man dies hier auch sehr kurz und knackig tun und behält wahrscheinlich das meiste, weil es so lustig dargestellt wird. 😊 Das ist das erste Video einer Reihe, in der man schnell und unterhaltsam viel lernen kann, was man bisher vielleicht in seinem Leben verpasst hat. Wenn man das möchte.

Auf diese Art kann man das auf jeden Fall wesentlich einfacher bewerkstelligen als mit Lessings im Original zum Teil wirklich recht verschwurbelter Sprache. 😋 Und das gilt natürlich nicht nur für Lessing. In unserer heutigen Welt ist es kaum jemand mehr gewöhnt, sich mit komplizierten Satzkonstruktionen zu beschäftigen, mit zum Teil altertümlichen Wörtern, deren Bedeutung man nicht kennt, die man noch nie gehört hat und wahrscheinlich auch nie benutzen wird, und wenn man nicht gerade Germanistik studiert hat wie ich, warum sollte man auch?

Dennoch geht es gerade in den sogenannten Klassikern – egal, aus welcher Epoche sie stammen – immer um mehr als Sprache. Deshalb vor allem sind sie zu Klassikern geworden. Es geht um menschliche Werte, um zwischenmenschliche Beziehungen, um soziale Missstände und viele andere Dinge, die für jeden Menschen, gestern wie heute, wichtig und interessant sind. Wenn sie allerdings in einer Sprache verpackt sind, die heutzutage niemand mehr versteht, kommen diese wichtigen und zum Teil auch heute noch relevanten Inhalte bei niemandem an.

Deshalb kann man das, was Michael Sommer hier tut, nicht hoch genug einschätzen. Denn die Diskussion über menschliche Werte wie Respekt anderen gegenüber, ganz unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Rasse, sozialer Herkunft oder was es da sonst noch so gibt, sollte nie aufhören. Diese Werte sollten nie in Vergessenheit geraten. Wozu gerade Literatur auch beiträgt. Jede künstlerische Arbeit eigentlich, denn Künstler sind grundsätzlich anders als andere Menschen, oft sensibler und mit einer Distanz zu dem ausgestattet, was üblicherweise als „normal“ gilt, wodurch sie die Welt meist wesentlich differenzierter sehen und auch leichter dadurch verletzt werden. Für mich als lesbische Künstlerin gilt das sogar doppelt, denn ich gehöre als Lesbe (und als Frau) ja zu genau einer der Gruppen, die lange Zeit diskriminiert wurden und zum Teil heute noch werden. Je nachdem, wo in der Welt man lebt.

Die unterhaltsame Darstellung komplexer Inhalte ist sehr, sehr schwierig, und wenige Menschen können das. Es ist ein außergewöhnliches Talent, das man nur bewundern kann. 

 

Ganz interessant finde ich auch Michael Sommers Einführungsvideo, in dem er erklärt, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass er das macht:

Da ich keine Theatermacherin bin, sondern „nur“ Schriftstellerin, finde ich die Idee, dass die Schauspieler auf der Bühne nicht spielen, sondern das Stück ohne Handlung auskommen soll, nicht so spannend, denn ich halte Handlung (und Inhalt) für das Wichtigste an einem Roman oder generell an einem Text beziehungsweise einer Geschichte, wenn sie denn unterhaltsam sein soll, und würde mir deshalb auch eine entsprechende Umsetzung auf der Bühne wünschen. Andererseits ist es so, dass die meisten Umsetzungen nicht meiner eigenen Phantasie entsprechen und ich deshalb lieber Bücher lese als Theaterstücke anschaue. Eine solche Inszenierung wäre also so oder so an mir vorbeigegangen. 😎

Dass Michael Sommer durch diese etwas abstruse Vorstellung des Regisseurs jedoch auf die Idee gekommen ist, die Handlung mit seinen Playmobil-Figuren nachzuspielen und den Zuschauern dadurch die Möglichkeit zu geben, das Stück dennoch zu verstehen und zu wissen, was darin passiert, hat dazu geführt, dass es jetzt Dutzende von Videos gibt, die die Weltliteratur in 10 Minuten mit Playmobil-Figuren darstellen, und das halte ich einfach für genial. 👍 Also kann man dem Regisseur, der keine Handlung auf der Bühne haben wollte, nur danken, weil er uns dadurch diese wundervollen Videos beschert hat, die es sonst vielleicht nie gegeben hätte. 👏