Gedanken
Ruth Gogoll und andere Autorinnen schreiben über Themen, die sie bewegen.

Du fragst, was man gegen solche Menschen machen kann, Laura. Darauf ist eine Antwort nicht so einfach, denn die Menschen, die Du beschreibst, sind Narzissten. Und Narzissmus ist nicht heilbar. Es ist keine Krankheit, für die es einfach so eine Medizin gibt. Die einzige Möglichkeit, sich vor Narzissmus zu schützen, ist dieselbe, wie die, mit der man sich vor ansteckenden Krankheiten schützt: Kein Kontakt.

Das kann jedoch nur ein Eremit bewerkstelligen. Wir normalen Menschen sind in gewisser Weise dazu gezwungen, mit anderen Menschen Kontakt zu haben, sei es nun in der Familie oder im Beruf oder mit Nachbarn, Freunden, Bekannten. Und die meisten von uns genießen das ja auch, können sich ein Leben ohne soziale Kontakte gar nicht vorstellen. Nur extrem introvertierte Menschen wünschen sich ein Leben ohne soziale Kontakte, weil jeder soziale Kontakt für sie eine Herausforderung ist, manchmal sogar eine Qual. Für extrovertierte Menschen gilt das Gegenteil. Sie leiden, wenn man ihnen soziale Kontakte vorenthält, gehen fast daran ein und können mit sich allein kaum etwas anfangen.

Die meisten von uns liegen jedoch zwischen diesen beiden Extremen. Wir genießen mal einen Grillabend mit Freunden, können aber auch einmal allein zu Hause sein und ein Buch lesen, ohne andere Menschen zu vermissen. Das nennt man emotionales Gleichgewicht, und für die meisten von uns ist das normal.

Nicht für Narzissten. Sie brauchen andere Menschen wie Essen und Trinken. Ohne andere Menschen existieren sie nicht. Nur durch das Bild, das andere ihnen wie ein Spiegel zurückwerfen, merken sie, dass sie leben, dass sie eine Bedeutung haben. Dennoch behandeln sie andere Menschen oft so, als würden sie sie überhaupt nicht brauchen. Und davon sind sie auch überzeugt. Sie halten sich für absolut selbstgenügsam. Denn sie halten sich für einmalig. Und zwar in einer gottgleichen Art. Sie stehen ihrer eigenen Meinung nach über allen anderen Menschen, deshalb wäre es ein Unding für sie zuzugeben, dass sie irgendeinen Menschen brauchen.

Zudem haben sie nicht das geringste Gefühl oder Verständnis dafür, dass sie andere Leute durch ihr Verhalten verletzen. Im Gegenteil, sie sind der Überzeugung, dass die ganze Welt ständig sie verletzt. Weil sie ihre Großartigkeit nicht anerkennt und ständig feiert. Weil ihnen nicht ständig alle Leute zu Füßen liegen und sie anbeten, obwohl sie doch so etwas Überragendes und Besonderes sind.

Wenn man da auf Engel oder höhere Wesen hofft, wie Du es ansprichst, kann man wahrscheinlich lange hoffen. In einem Buch funktioniert das vielleicht, in der Realität eher selten. Ich würde aus meiner Erfahrung heraus sogar sagen: gar nicht. Nicht mit Narzissten.

Wenn Menschen, die gezwungen sind, mit Narzissten zu leben oder zu arbeiten, zu mir kommen und mich um Rat fragen, kann ich sie auf keine höheren Mächte verweisen, nur auf sich selbst. Einen Narzissten kann man nicht ändern, und auch wenn man sich selbst versucht zu ändern und sich ihm anzupassen, wird sich die Situation nicht bessern. Es wird für einen selbst nur noch schlimmer, weil man seine eigenen Gefühle unterdrückt, seinen eigenen Verstand, seine eigene Logik. Oftmals sogar alles, was man für gut und richtig hält.

So kann kein Mensch leben. Deshalb kann ich nur immer wieder betonen: Wenn man sich in einer solchen Situation befindet, sollte man so schnell weglaufen, wie man kann. Um sich selbst zu schützen und ein Leben in Ruhe und Frieden führen zu können. Denn mit einem Narzissten geht das nicht.