Ein wenig bereute sie ihren Entschluss schon. Ihre Zustimmung dazu, sich von Triz fotografieren zu lassen. Wozu sollte das gut sein? Was hatte sie sich dabei gedacht?

Ganz sicher hatte Triz’ Aufmerksamkeit ihrer Eitelkeit geschmeichelt. Das konnte man wohl gar nicht verhindern. Selbst wenn man ein so uneitler Mensch wie Dani war. Sie hatte schon so lange keine Komplimente mehr gehört, dass sie sie wie ein Schwamm aufgesaugt hatte. War das so unverständlich?

Nein, das war es nicht. Aber sie hätte länger darüber nachdenken sollen. Es war derselbe Abend oder eher tief in der Nacht nach der Vernissage, bei der Triz’ Bilder vorgestellt worden waren. Ja, es war Wochenende, morgen musste sie nicht arbeiten, aber trotzdem hätte sie zuerst einmal nach Hause gehen sollen.

Die Wahrheit war jedoch, dass sie nicht mehr gern nach Hause ging. Die Wohnung war leer und wirkte kalt. Obwohl sie oft leer gewesen war, wenn sie nach Hause gekommen war, hatte sie bis vor zwei Wochen doch immer gewusst, dass Frauke irgendwann kommen würde. Und wenn es spät in der Nacht war, aber sie kam. Das hatte die innere Kälte vertrieben.

Doch jetzt vertrieb sie nichts mehr. Sie war allein, wenn sie nach Hause kam, und sie blieb allein bis zum nächsten Morgen. Erst wenn sie das Haus verließ, hatte sie die Chance, auf einen Menschen zu treffen. Auf der Straße, bei der Arbeit. Oder wenn sie mit Manu, Lea, Swetlana oder sonst jemandem etwas unternahm.

Sie hatte kein wirkliches Zuhause mehr, in das sie zurückkehren konnte, das war die Wahrheit. Das war ihre Realität.

Denn ein Zuhause war mehr als nur eine Tür, die man hinter sich zumachen konnte. Eine Couch, ein Fernseher, ein Schlafzimmer. Mehr als die Summe dieser Dinge. Ein Zuhause war vor allen Dingen ein Mensch. Man kam zu einem Menschen nach Hause, nicht in eine Wohnung.

»So, das hätten wir.« Triz’ Stimme unterbrach Danis Reise in die Vergangenheit. Oder in eine Gegenwart, für die sie gern bei einer Reiseagentur das Geld zurückverlangt hätte. »Jetzt wollen wir mal richtig loslegen.«

Dani blinzelte. Das helle Licht ließ keine wirkliche Erholung für die Augen zu.

»Du solltest deine Haare länger tragen«, sagte Triz. »Hast du darüber mal nachgedacht?«

Unwillkürlich hob Dani die Hand und fuhr sich über die kurze Fransenfrisur. »Ich fand das immer praktisch. Schnell gewaschen, schnell getrocknet. Und es fällt von selbst in Form.«

»Praktisch ist es sicher.« Triz lachte leicht und sah sie an. »Aber es passt überhaupt nicht zu deinem Gesicht. Das könnte eine andere Frisur weit besser hervorheben.«

»Und wenn ich das nicht will?« Erneut blinzelte Dani ins Licht. »Bist du bald fertig? Ich mag es nicht, hier so auf dem . . . Präsentierteller zu sitzen.«

»Das sehe ich«, sagte Triz. »Aber wenn du erlaubst, würde ich gern noch ein paar Aufnahmen von dir machen. Es sei denn, du ziehst deine Zustimmung zurück?« Fragend blickte sie Dani an.

Kurz musterte Dani ihr Gesicht, als suchte sie darin eine Antwort auf die Frage, die sie selbst nicht geben konnte. »Nein«, sagte sie dann. »Ich ziehe sie nicht zurück.«

6

Es war ein Morgen nach einer bemerkenswerten Nacht, als Dani erwachte.

Triz hatte sie fotografiert, hatte zwischendurch an ihrer Kleidung herumgezupft, und irgendwie hatte Dani das Gefühl gehabt, da kam immer mehr Luft an ihre Haut. Aber so richtig hatte sie sich nicht getraut hinzusehen. Zumal Triz immer wieder darauf hinwies, sie solle die Position halten.

Als sie zum Schluss jedoch die Session beendeten und sie hinunterblickte, wurde Dani fast rot. Ihre Brust war praktisch nackt.

»Du hältst dich wohl nicht gern an Vereinbarungen, oder?«, fauchte sie Triz an. »Ich habe dir gesagt, solche Fotos mache ich nicht!« Mit einem wütenden Satz sprang sie vom Stuhl.

»Aber das ist doch harmlos.« Triz lachte, kam hinter der Kamera hervor und trat dicht an sie heran. »So ein Foto wie eins aus der Ausstellung ist das nicht.«

»Das nicht, aber –« Irgendwie fühlte Dani sich betrogen, doch gleichzeitig merkte sie selbst, dass sie sich künstlich aufregte. Weil sie sich aufregen wollte. Weil sie aufgeregt war. Erregt. »Ich gehe dann jetzt.« Sie zog das weit heruntergezogene Dekolleté wieder hoch. »Du hast wohl alles gekriegt, was du wolltest.«

»Ganz und gar nicht.« Triz’ Lachen ging erneut in diesen intensiven Röntgenblick über, mit dem sie Dani musterte.

Und festhielt. Auf einmal hatte Dani das Gefühl, sie konnte sich nicht mehr bewegen. Ihre Füße schienen mit dem Boden verbunden, als wären sie festgeleimt.

Leicht herausfordernd spitzte Triz die Lippen. »Ich dachte, deine Zustimmung bezöge sich auf etwas mehr als das.«

Dani wusste, dass sie genau dasselbe gedacht hatte. Und es auch so gemeint hatte. Aber das würde sie nicht so leicht zugeben.

»Dachtest du?«, fragte sie spöttisch zurück. »Du glaubst wohl sehr an deine Wunschvorstellungen.«

»Immer«, bestätigte Triz selbstbewusst. »Was wäre das Leben ohne Wünsche? Und deren Erfüllung?« Sie beugte sich vor und küsste Dani, die festgewurzelt stehenblieb, als hätte das alles nichts mit ihr zu tun.

Aber das war genau der Punkt, den sie nicht hätte überschreiten dürfen. Wenn sie das, was Triz jetzt wollte, nicht gewollt hätte.

Aber sie wollte ja. Sie wollte so sehr! Nur sollte Triz nicht denken, dass sie leicht zu haben war. Dass sie vierzehn Jahre einfach so wegwarf, als wäre es nichts. Unbekümmert nur den Eingebungen des Augenblicks folgte, ihren Wünschen und Trieben.

Ihren Hormonen, die wieder in ihr wüteten, als wäre sie etliche Jahre jünger. Als wäre sie genauso jung, wie Triz sie durch ihre Schminkkünste erscheinen ließ. Wie sie sie vielleicht sehen wollte.

»Du sagst jetzt nicht wirklich nein, oder?«, flüsterte Triz an ihrem Mund. »Habe ich dich so falsch verstanden?«

Ihre Zunge drängte sich zwischen Danis Lippen, als wollte sie sie daran hindern, zu antworten und eventuell doch Nein zu sagen.

Da sie ohnehin nicht mit Wörtern antworten konnte, entschied Dani sich dafür, es mit ihrem Körper zu tun. Beziehungsweise das hatte er schon ganz von selbst für sie entschieden. Sie schloss sich ihm nur an.

Endlich konnte sie sich wieder rühren, drängte ihre Hüften gegen die von Triz, ihre Zunge in Triz’ Mund und gab ihr die Antwort, die sie verlangt hatte, ohne etwas zu sagen.

Triz stöhnte in ihrem Mund auf, ihre Hände suchten nach einem Eingang unter Danis Kleidung, rissen sie ihr fast herunter. Sie drängte Dani erneut auf den Stuhl, wo ihr nun nackter Po etwas vor der Kälte zurückschreckte, die ihn dort empfing.

Doch ihre innere Hitze glich das schnell aus. Hatte sie wirklich erwartet, dass sie gemütlich in einem Bett enden würden? Hatte Triz überhaupt eins? Für diesen Zweck?

Jetzt jedenfalls drängte sie Danis Schenkel auseinander, legte einen Arm um sie, damit sie nicht vom Stuhl fallen konnte, der keine Lehne hatte, und drang ganz schmucklos schnell mit ihren Fingern in Dani ein.

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