»Hat er das.« Nicht beeindruckt legte Cat die Arme vor sich zusammen. Sie verschränkte sie nicht, sondern ließ sie herunterhängen, nur die Hände locker übereinandergelegt.

»Sag mal, aus welchem Loch bist du denn gekrochen?« Kai Krieger starrte sie wütend an. »Lass mich jetzt da rein! Ich muss mit ihr reden!«

Wieder streckte er seine Hand nach der Tür aus, und wieder scheiterte er an Cat, die ihn zurückhielt.

»Nicht jetzt«, sagte sie. »Wenn sie aufgewacht ist.«

»Das hast du nicht zu entscheiden!« Mit brutaler Gewalt versuchte er, sie unter Einsatz seines ganzen Körpers wegzuschieben.

Doch seine ›brutale Gewalt‹ hatte schon dem kleinsten professionellen Griff von Cat nichts entgegenzusetzen. Er war ein schmalbrüstiger Mann, an dem man die Muskeln suchen musste. Man sah ihm an, dass er seine Zeit vor einem Klavier und nicht in einer Muckibude verbrachte.

»Doch«, widersprach Cat ganz ruhig. »Ich habe das zu entscheiden. Oder Frau Zurell selbst. Aber solange sie schläft, habe ich hier das Sagen, was den Zutritt zu diesem Raum betrifft.«

Ihr Griff brauchte keinen Körpereinsatz, er umfasste nur mit Cats Hand seine, aber das reichte, um Krieger fast in die Knie gehen zu lassen.

Gequält stöhnte er auf, obwohl der Griff kaum Schmerz verursachen konnte, so sanft, wie Cat ihn angesetzt hatte. »Wer hat denn diesen Drachen freigelassen?«

»Steffen«, erklärte Johanna in ihrer üblichen freundlichen Art, aber Cat sah, wie sich ein verschmitztes Funkeln in ihren Augen bildete. »Er hat Frau Abramczik engagiert, um Alida zu beschützen. Was sie gerade tut.«

»Aber doch nicht vor mir!« Empörung ließ seine Stimme schrill anschwellen. »Ich muss wissen, ob sie das in den zweiten Song heute Abend einbauen kann, was mir auf der Fahrt eingefallen ist.«

»Gibt es denn nicht noch eine Probe vor dem Konzert?«, fragte Cat und ließ seine Hand los.

Immer noch leicht stöhnend rieb er sie sich und sah sie von unten herauf wütend an. »Einen Soundcheck. Mehr ist das nicht.«

»Das sollte reichen, oder?« Cat wandte sich mit einem fragenden Blick an Johanna.

»Sicher reicht das.« Johanna nickte. »Aber Kai will eben immer alles sofort besprechen.«

»Darauf muss er jetzt leider verzichten.« Mit einem durchaus verbindlichen Blick musterte Cat den verhinderten Einbrecher. »Ist das in Ordnung, Herr Krieger?«

Seinem Namen machte der junge Mann wirklich keine Ehre. Aber seine Wut musste er doch noch herauslassen. »Das wirst du bereuen!«, schrie er, während er sich zum Eingang der Suite zurückzog. »Wenn ich jetzt nicht mehr Klavierspielen kann, verklage ich dich bis aufs letzte Hemd!«

»Ich besitze nur zwei«, erwiderte Cat lapidar. »Die können Sie gern haben.«

Für die anderen, die mit ihm hereingekommen waren, schien das eine Lehre gewesen zu sein. Cats entschlossene Gestalt vor der Tür des Schlafraums verführte niemanden mehr dazu, ihn betreten zu wollen.

Dennoch befand sich auf einmal ein halbes Dutzend Leute im Zimmer, unterhielt sich oder ließ sich auf Couch und Sesseln nieder.

Cat beobachtete sie wachsam, auch noch, als Johanna zu ihr trat. »Ist das immer so?«, fragte sie die ältere Frau.

Die nickte. »Das ist vollkommen normal. Alida hat das größte Zimmer, und deshalb hängen meistens alle bei ihr herum.«

»Sogar bei ihr im Schlafzimmer?« Automatisch wanderte Cats Blick zu der Eingangstür zurück, durch die Kai Krieger sich wütend verabschiedet hatte.

Erneut nickte Johanna. »Sie«, sie blickte zu Cat hoch, »halten sie wahrscheinlich für unfreundlich und launenhaft, aber sie hat wirklich kaum eine Minute für sich. Alle zerren an ihr herum, wollen etwas von ihr. Selbst wenn sie Nein sagt, wird das meistens erst wahrgenommen, wenn sie explodiert.«

Cat dachte darüber nach. Das war keine schöne Vorstellung. Wenn Alida ihr sympathisch gewesen wäre, hätte Cat sie dafür vielleicht sogar ein ganz klein wenig bedauert.

Das kam ihr jetzt aber gar nicht in den Sinn, weil jede ihrer Begegnungen, sogar die ihrer Blicke, wie ein Kampf in einer Arena war. Alida Zurell wollte sich Cat beziehungsweise den Regeln, die Cat zu ihrer Sicherheit aufgestellt hatte, einfach nicht unterordnen.

Es war anscheinend eine Frage des Prinzips für sie, weniger der Tatsachen. Ob sie die überhaupt wahrnahm? Zwar hatte ihr Manager Cat versichert, dass sie wusste, worum es ging, aber Cat war sich da nicht so sicher.

Dennoch spürte sie jedes Mal, wenn Alida sich dagegen wehrte, die Gefahr zur Kenntnis nehmen zu sollen, noch etwas anderes hinter der hochmütigen Fassade.

Das musste nicht unbedingt Angst sein. Bei Leuten, die wie sie auf einer Bühne standen, konnte das auch bedeuten, dass sie etwas anderes verstecken wollte. Was, wenn das Ganze doch nur ein Werbegag war? Wenn sie damit nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte?

Oder sogar ihr Management? Argwöhnisch wanderte Cats Blick auch immer wieder zu Steffen Berner hinüber, der mit den anderen zurückgekehrt war und dessen Jovialität sie nicht so ganz traute. Auch das schien ihr mehr gespielt als echt.

Das traf allerdings für fast alle Leute zu, die die Sängerin umgaben. Jeder hatte seine festen Aufgaben, und sie, die große Alida, musste nur mit den Fingern schnippen, damit diese Aufgaben erfüllt wurden. Bei einigen von ihnen spürte Cat jedoch auch einen gewissen Widerwillen dagegen.

Reichte das schon, um eine Gefahr für sie zu sein? Um sie entführen zu wollen oder den Entführer eventuell zu unterstützen?

Wenn es hier im Inneren einen Maulwurf gab oder jemanden, der mittlerweile einen Hass gegen Alida aufgebaut hatte, konnte das durchaus der Fall sein.

Das konnte Cat aber noch nicht beurteilen.

Im Moment hoffte sie einfach nur, dass Alida etwas entgegenkommender und verständiger sein würde, sobald sie ausgeschlafen hatte.

11

»Der Scheinwerfer blendet.« Alida legte eine Hand über ihre Augen und blickte von der Bühne, auf der sie hinter dem Mikrofon stand, zu dem Beleuchter hoch, der ihr das grelle Licht quasi in die Pupillen hielt.

»Besser so?« Er passte den Winkel des Scheinwerfers an.

Alida nickte. »Besser.«

Ein Soundcheck war nichts Besonderes. In jeder Stadt, vor jedem Konzert musste man das machen, um eine möglichst gute Tonqualität zu erreichen. Denn jede Veranstaltungshalle war anders, übertrug den Schall anders. Das war nicht wie in einem Studio, in dem die Wände entsprechend ihrer Funktion mit Akustikplatten oder Akustikschaumstoff gepflastert waren, alles genau auf diesen Zweck ausgerichtet war.

Deshalb dauerte es immer ziemlich lange, bis der Toningenieur am Mischpult zufrieden war, und es war mühsam. Kurz etwas singen, abbrechen, wieder etwas singen, abbrechen, dann die verschiedenen Instrumente der Band auf Alidas Stimme und auf die anderen Instrumente abstimmen, auf den Klang, den diese Halle verlangte. Das konnte Stunden dauern, je nachdem, wie die akustischen Verhältnisse waren.

Kingsley Stevens: Bühne frei! ⯌ Eine Leseprobe in zwölf Teilen

1 Der Applaus brandete immer wieder hoch. »A-LI-DA! A-LI-DA! A-LI-DA!« Schweißüberströmt saß Alida...
»Du hasst Urlaub.« Indem er sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch abstützte und hochschob,...
Sie probierte mehrere Szenarien aus und war ganz zufrieden. Bezeichnend fand sie dabei, dass ihre...
Die Frage überraschte Alida. Sie war noch so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen,...
In absichtlich überspitztem Erstaunen wanderten Alidas Augenbrauen Zentimeter für Zentimeter nach...
8 »Bitte, seien Sie ihr nicht böse.« Der Mann, der gerade eben hereingerauscht war, wandte sich...
Forschend blickte Cat sie an. »Sind Sie die Mutter?« Mit einem Lachen schüttelte die ältere Frau...
Es hatte nicht lange gedauert, bis sie Studioaufnahmen machte. Als immer mehr Leute in die Kneipen...
»Hat er das.« Nicht beeindruckt legte Cat die Arme vor sich zusammen. Sie verschränkte sie nicht,...
Gleichzeitig mit dem Ton wurde auch das Licht eingerichtet, und das war fast noch schlimmer. Die...
12 Cat hatte Alida die ganze Zeit im Auge behalten und sah, dass sie schon wieder entwischen...
Cat wollte es offensichtlich nicht zeigen, aber sie wirkte verwirrt. Verwirrt wie jeder normale...