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»Bitte, seien Sie ihr nicht böse.« Der Mann, der gerade eben hereingerauscht war, wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln an Cat, während die ältere Frau versuchte, durch die Tür mit Alida zu sprechen. »Künstler sind eben . . . exzentrisch.« Er hielt ihr die Hand hin. »Berner. Steffen Berner.«
Das kannst du wohl laut sagen! »Cat Abramczik.« Innerlich rollte Cat die Augen, während sie äußerlich weiterhin unbeeindruckt aussah und seine Hand kurz drückte. »Wollen Sie den Auftrag zurückziehen?«
»Nein, nein. Auf keinen Fall!« Entsetzt riss er die Augen auf. »Sie müssen sie beschützen! Unbedingt! Ihr darf nichts passieren!«
Er schien wesentlich besorgter zu sein als Alida selbst, was ihr körperliches Wohl betraf.
»Dann bleibt es also dabei?«, fragte Cat. »Ich habe den Auftrag weiterhin?«
»Ja! Ja!« Ein tiefes, angestrengtes Durchatmen folgte diesen beiden hervorgestoßenen Silben. Fast, als würde er gegen einen Herzinfarkt ankämpfen.
Vielleicht war er älter, als Cat gedacht hatte. Wobei . . . Jung war er auf keinen Fall mehr. Bei dem eher jungen Publikum, das Alida anzog, erschien das merkwürdig.
Aber Cat kannte sich mit solchen Dingen nicht aus und konnte deshalb nicht beurteilen, wie alt ein Manager für eine junge Frau wie Alida sein durfte oder musste.
»Sie will es einfach nicht wahrhaben«, klagte er, als wäre es mehr seine Qual als ihre. »Aber sie ist wirklich in Gefahr. Es stand schon mal auf Messers Schneide.«
Cat hob die Augenbrauen. Waren ihre Vorinformationen falsch gewesen? So etwas liebte sie gar nicht. »Es war nicht nur die Farbe?«, vermutete sie.
»Nein, nicht nur die Farbe.« Er stöhnte richtig auf. »Dieser Typ, der hinter ihr her ist, will sie entführen. Er will sie ganz für sich haben. Und einmal hat er das beinah schon geschafft.«
Irritiert warf Cat einen Blick zu der Tür hinüber, hinter der sich ihr widerwilliges Schutzobjekt immer noch verbarg. »Weiß sie das?«, fragte sie.
»Natürlich weiß sie das!«, fuhr er auf, mäßigte sich mit einem »Entschuldigen Sie« jedoch sofort wieder. »Sie können ja nichts dafür.« Er holte noch einmal tief Luft. »Glauben Sie mir, ich hätte Sie nicht engagiert, wenn das nur eine eingebildete Gefahr wäre. Manche tun das ja, als Publicity Gag.« Er hob die Hände, als wollte er Cat gleich wieder von diesem Gedanken abbringen. »Aber das hat Alida überhaupt nicht nötig. Sie ist ganz von selbst ein Star und hat eine riesige Fangemeinde, da braucht sie so was nicht.«
Eine Weile dachte Cat darüber nach, ob er die Wahrheit sagte. Denn was sie in ihm spürte, hatte sie schon bei einigen Leuten gespürt, die sich nicht unbedingt der Wahrheit verpflichtet fühlten.
Wenn das hier ein Fake war, konnten sie sich das sofort abschminken. Für so was war Cat nicht zu haben, egal für welchen Preis.
»Bitte«, beschwor er sie. »Lassen Sie sie nicht aus den Augen! Der Kerl kann überall sein!«
Cat beschloss, dass seine Besorgnis echt war. »Sie können sich auf mich verlassen.« Bestätigend nickte sie ihm zu. »Wenn sie in Gefahr gerät, werde ich sie beschützen.« Strafend blickte sie ihn an. »Und warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Ich mag es nicht, so im Dunkeln gelassen zu werden. Dann kann ich mich nicht richtig auf den Fall vorbereiten. Das könnte unabsehbare Folgen haben. Gefährliche Folgen.«
»Ja, ich weiß . . .« Er wand sich ein bisschen. »Ich wollte nicht, dass irgendjemand Wind davon kriegt. Ihre Fans, die Presse . . . Das kann auch unabsehbare Folgen haben, das kann ich Ihnen versichern.«
»Na gut. Jetzt weiß ich es ja«, sagte Cat. »Haben Sie mir sonst noch irgendetwas vorenthalten?«
»Nein, nein!« Er hob die Hände. »Ganz bestimmt nicht! Ich kann Ihnen noch genauere Infos geben, wie er es das erste Mal fast geschafft hat. Vielleicht versucht er es ja auf dieselbe Art wieder.«
»Dafür wäre ich dankbar.« Cat sah ihn ernst an. »Jedes Detail könnte wichtig sein. Kennen Sie ihn?«
Seine Lippen kräuselten sich unentschlossen. »Er . . .«, er räusperte sich, »er war einmal ein Fan. Ein glühender Fan. Er hat alles für sie getan.«
»Er war ihr Freund?«, fragte Cat. »Ihr Liebhaber?«
»Absolut nicht!« Das stritt er sofort vehement ab. »Er war ein Fan, nicht mehr. Wir sorgen schon dafür, dass sie . . . dass sie nicht . . .« Er seufzte. »Na ja, die meisten Fans stellen sich was mit ihr vor, und dafür darf sie nicht . . . offiziell liiert sein.«
»Ich dachte, das füllt die sozialen Medien.« Cat wunderte sich. »Wer gerade mit wem und wer sich gerade getrennt oder wieder versöhnt hat. Lieben das die Fans nicht?«
»Nicht ihre Fans.« Er blickte zur Tür. »Ihre Fans sind zwar jung, aber irgendwie . . . altmodisch. Wenn Sie das verstehen.«
Das tat Cat zwar nicht, aber das war auch nicht ihre Aufgabe.
»Alles klar. Dann geben Sie mir bitte noch die Informationen, die ich brauche. So schnell wie möglich.« Auffordernd blickte sie ihn an.
»Bin gleich wieder da!« Er spritzte genauso aus dem Zimmer hinaus, wie er hereingespritzt war. Obwohl er schon etwas älter und auch ganz schön übergewichtig war, war er offenbar trotzdem recht flink auf den Beinen.
Nachdem er weg war, wandte Cat ihre Aufmerksamkeit wieder der Verbindungstür zum Schlafzimmer zu. Die ältere Frau stand immer noch davor und flehte Alida an, mit ihr zu sprechen.
Cat ging zu ihr hinüber. »Soll ich die Tür aufbrechen?«
Erschrocken sah die Frau sie an. »Nein, nein«, kam es dann von ihren Lippen. »Das ist nicht nötig.«
»Es könnte ihr ja etwas passiert sein.« Misstrauisch hob Cat die Augenbrauen und horchte.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich will sie wirklich nur ihre Ruhe haben. Wir sind gestern Abend, das heißt noch in der Nacht nach dem Konzert losgefahren, waren die ganze Nacht mit dem Bus unterwegs. Sie muss völlig erschöpft sein.«
»Und heute Abend schon wieder ein Konzert?« Cat runzelte die Stirn.
Die ältere Frau zuckte die Schultern. »So ist es eben. Sie hat über zweihundert Konzerte im Jahr.«
»Zweihundert?« Das hatte Cat sich noch nie klargemacht. Zweihundert Konzerte in dreihundertfünfundsechzig Tagen. Das hieß, Alida hatte noch nicht einmal einen Tag Ruhe nach jedem Konzert. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Ist das nicht ein bisschen viel?«
Die Frau nickte leicht bekümmert. »Das sage ich ja auch immer. Aber er«, sie wies mit dem Daumen auf die Tür, durch die der Manager hinausgegangen war, »vereinbart ein Konzert nach dem anderen. Bringt halt Geld ein.«