Sie probierte mehrere Szenarien aus und war ganz zufrieden. Bezeichnend fand sie dabei, dass ihre Test-Szenarios niemand vom internen Sicherheitsdienst des Hotels auf den Plan riefen. Das hätten sie Cats Ansicht nach eigentlich tun müssen, wenn dieser Sicherheitsdienst auf Zack gewesen wäre.

Zum Schluss ging sie dann ganz normal zur Rezeption und erkundigte sich dort nach der genauen Ankunftszeit des großen Stars. Dafür musste sie sich ausweisen, denn hier gab es tatsächlich eine Art Sicherheitsbewusstsein.

Zu spät allerdings. Ein eventueller Attentäter hätte diese Information gar nicht mehr gebraucht. Er hätte einfach hier gewartet.

»Wir fühlen uns sehr geehrt, Alida im Haus zu haben«, verkündete die junge Dame hinter der Rezeption mit glänzenden Augen. Offenbar war sie ein Fan. »Ihr wird doch nichts passieren?« Sie schien tatsächlich besorgt.

»Wenn sie sich auf Ihren Sicherheitsdienst vom Hotel hier verlässt, wäre das nicht ausgeschlossen«, bemerkte Cat strafend. »Ich habe mich hinter Pfeilern versteckt, in diverse Richtungen gezielt und mich schnell zurückgezogen, als wäre ich auf der Flucht. Nicht ein einziger Ihrer Sicherheitskräfte hat mich angesprochen oder verfolgt.«

»Oh.« Sie wirkte betroffen.

»Das würde ich auch sagen«, stimmte Cat dem trocken zu. »Dann werde ich mal meine Vorbereitungen treffen. Ich hole nur noch meine Sachen aus dem Auto.«

Sie nickte der jungen Frau, die immer noch leicht erschüttert schien, verabschiedend zu und verließ die Hotelhalle erst einmal wieder.

Draußen telefonierte sie mit der Agentur und bestellte ein paar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Villa. Sie hatte die Angewohnheit, sich erst einmal allein umzusehen, aber mit diesem Park und der sicherheitsfeindlichen Altertümlichkeit des Gebäudes war es unmöglich, alles allein im Auge zu behalten.

Das war sowieso unüblich, und so gern Cat auch allein arbeitete, weil das die Fehlerquote verringerte, sie hatte einsehen müssen, dass das meistens nicht ging. Noch nicht einmal bei so einem unbedeutenden Schlagersternchen wie diesem hier.

Star. Pft! Was sich heute alles so Star nannte.

Gut, dass sie normalerweise nichts damit zu tun hatte.

Drei Tage, das war alles, wofür diese Tusse sie bezahlte und was sie bekam.

Und dann war Schluss.

5

»Was tun Sie da?« Alida erschrak, als sie ihr Hotelzimmer betrat, weil dort eine dunkel gekleidete Gestalt auf dem Boden hockte. Sie packte etwas in einen Koffer. Räumte hier ein Dieb das Hotel aus, und niemand hatte es bemerkt?

Im ersten Moment wollte sie gleich wieder auf den Gang laufen, wo die anderen sein mussten, da sie gerade eben alle zusammen angekommen waren, aber da erhob sich die Gestalt.

»Wer sind Sie?«, fragte die Frau zurück.

Alida schnappte nach Luft. Es war schon lange nicht mehr passiert, dass jemand sie nicht erkannte. Nicht in dem Umfeld, in dem sie sich bewegte.

»Das ist ja wohl –« Ihre Backen bliesen sich wie Fußbälle auf. »Was haben Sie hier zu suchen? In meiner Suite? Ich rufe sofort den Sicherheitsdienst!«

»Ich bin der Sicherheitsdienst«, sagte die Frau, und sie wirkte entschieden wesentlich ruhiger, als Alida sich fühlte. Ihre dunklen Augen musterten Alida völlig gelassen. »In gewisser Weise.«

»In gewisser Weise?« Diese Aussage verwirrte Alida, und sie runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«

Ihr Handy brannte fast in ihrer Hand, aber hätte sie es benutzen können? Würde diese Frau das zulassen? Sie sah irgendwie . . . gefährlich aus. Automatisch hob Alida es jedoch an.

»Das soll heißen«, erklärte die Frau langsam, »dass ich nicht der Sicherheitsdienst des Hotels bin, wohl aber Ihr persönlicher Sicherheitsdienst. Ich bin Cat Abramczik.«

Irgendwelche Bemerkungen von Steffen schossen Alida durch den Kopf. Bodyguard. Irgendwas mit Bodyguard.

Aber sie hatte nur darüber gelacht. Wenn das, was die Frau hier sagte, stimmte, hatte er aber wieder einmal allein beschlossen, was das Richtige für sie war, und ihr nichts davon gesagt.

Ihre Stirn runzelte sich. »Cat Abramczik? Sagt mir nichts.«

»Sicherheitsagentur Weissgerber«, erläuterte die große Frau, diese Cat Abramczik, ruhig. »Matthias Weissgerber. Das ist mein Chef, könnte man sagen. Wahrscheinlich haben Sie mit ihm zu tun gehabt.«

Also ja. Steffen.

Alida zuckte die Schultern. »Ich habe mit überhaupt niemandem zu tun gehabt. Das macht alles mein Management.« Sie ging zu einem Sessel hinüber und warf ihre Handtasche darauf. »Das heißt also, Sie sollen mich hier in diesem Kaff beschützen?«, bemerkte sie währenddessen beiläufig. Sie hatte nun beschlossen, dass diese Cat Abramczik wohl die Wahrheit sagte. Außerdem waren die anderen gleich in den Zimmern nebenan. »Wegen der Drohbriefe?«

Cat Abramczik nickte. »So hat man es mir gesagt.«

»Ich weiß nicht, warum sich alle so darüber aufregen.« Alida setzte einen Gesichtsausdruck auf, der äußerst gelangweilt wirken musste. »Meine Fans sind eben manchmal etwas . . . überschwänglich. Aber sie tun mir doch nichts. Das ist alles völlig überflüssig.«

»Offensichtlich sieht das Ihr Management anders«, erwiderte Cat Abramczik. »Sonst hätten sie mich nicht engagiert.«

Alida winkte ab. »Ach, die sind einfach immer überängstlich. Ich bringe ihnen eine Menge Geld ein, und das wollen sie nicht verlieren.«

Das Thema wurde sie wohl nie los. Schon Johanna hatte heute Morgen damit angefangen. Ja, vielleicht war es so, aber das war im Augenblick Alidas geringstes Problem. Sie wollte sich nicht damit beschäftigen.

Leicht sarkastisch gab Cat Abramczik ein trockenes Lachen von sich. »Unverkennbar haben Sie eine sehr realistische Einstellung zu Ihrem Beruf.«

Was nahm die sich denn heraus? Alidas Augen öffneten sich erstaunt. Wie kam sie dazu, Alida ihre eigene unmaßgebliche Meinung aufs Butterbrot zu schmieren? Wen interessierte das? Sie sollte vor der Tür stehen und den Wachhund spielen, weiter nichts. Dass sie sprach, war nicht nötig.

Im Moment wollte Alida jedoch weniger realistisch sein, als dass sie allein sein wollte. Aber wie wurde sie diese Frau jetzt wieder los? Würde die wie eine Klette an Alida hängen, solange sie hier war? Das passte ihr gar nicht.

Johanna war ja schon schlimm genug, aber die konnte sie oft abhängen oder in die Irre führen. Diese Frau sah nicht so aus, als ob das mit ihr so einfach wäre.

Überhaupt. Wie sie aussah . . . Wie einer von den Men in Black. Und sie war groß. Sehr groß aus Alidas Perspektive, die eher klein war. Dazu die breiten Schulterpolster. Anscheinend wollte sie Arnold Schwarzenegger imitieren.

Alida hasste diese Art Leute. Leute, die nur Muskeln hatten und nichts im Hirn. Männer wie Frauen, ganz egal, die waren nicht ihr Fall. Hatten keine Ahnung von nichts, mischten sich aber in alles ein. Und bildeten sich ein, mit ihren Muskeln könnten sie alles durchsetzen.

»Also geben Sie zu, dass eine Gefahr besteht?« Cat Abramczik hob die Augenbrauen. »Denn sonst könnte Ihr Management ja nichts verlieren. Sie nicht verlieren«, ergänzte sie noch betont.

Kingsley Stevens: Bühne frei! ⯌ Eine Leseprobe in zwölf Teilen

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