Cat wollte es offensichtlich nicht zeigen, aber sie wirkte verwirrt. Verwirrt wie jeder normale Mensch. Nicht mehr übermenschlich, kalt, abweisend. Wie jemand, der alles im Griff hatte und das nie infrage stellte.

Es schien, als ob sie kein Muster für diese Situation hätte. Als ob sie überlegen musste, wie sie darauf reagieren sollte.

Wäre es ein körperlicher Angriff gewesen, hätte sie bestimmt sofort gewusst, was sie tun musste. Dann hätte Alida wahrscheinlich schon längst auf dem Boden gelegen. Entwaffnet, falls sie eine Waffe gehabt hätte.

Aber sie hatte keine Waffe. Jedenfalls keine, die Cat ihr abnehmen konnte. Die Waffen einer Frau waren leider fest angewachsen. Und das schien ihre Beschützerin für einen Moment zu überfordern.

Auf einmal fühlte Alida sich so stark Cat gegenüber, wie sie sich noch nie gefühlt hatte. Sie hatte diese große, sich so überlegen gebende Frau in der Hand und konnte mit ihr machen, was sie wollte.

»Ist das ein Problem für dich?« Anscheinend hatte Cat sich entschieden. Sie sah Alida auf eine Art an, die wohl unbeeindruckt erscheinen sollte.

Aber Alida kaufte das nicht. Schon allein, dass Cat vom Sie ins Du gewechselt hatte, war genug an Hinweisen für sie. Cat konnte Alida nicht mehr ignorieren. Alida war ihr zu nah gekommen. Sonst hätte Cat ihr gar keine Antwort gegeben.

Deshalb zuckte Alida die Schultern und ließ sich wieder auf ihre Fersen, die durch die hohen Absätze immer noch weit über dem Boden schwebten, hinunter. »Du bist nur eine weitere von diesen Gestalten, die was von mir wollen. Das bin ich schon gewöhnt.«

Ihre Stimme klang gleichgültig, und doch wusste sie, dass das von ihrer Seite aus nur genauso eine Schutzfunktion war, wie sie sie bei Cat eben kurz abgeschaltet hatte. Sie beide hatten ihre Mauern, die sie um sich bauten. Sie niederzureißen erforderte einiges an Anstrengung. Wenn es das überhaupt wert war.

»Ich würde sagen, es ist eher umgekehrt.« Cat hatte einen Klang in der Stimme, der offenbar zeigen sollte, dass sie das auf jeden Fall erst einmal klarstellen wollte. »Du willst etwas von mir. Nämlich dass ich dich beschütze. Aber aus irgendeinem Grund willst du das nicht zugeben.« Sie holte tief Luft. »Ich will gar nichts von dir. Wie du schon früher einmal so richtig erkannt hast, mache ich hier nur meinen Job.«

»Ach wirklich?« Immer noch stand Alida sehr nah vor ihr. Viel zu nah. Oder auch nicht. Je nachdem, was darauf folgen sollte. »Und warum schleichst du mir dann hier auf dem Gang nach? Statt dich gleich sehen zu lassen?«

So schnell würde sie ihre Krallen nicht aus Cat herausziehen. So leicht ging das nicht. Das würde diese hochmütige Katze schon noch begreifen.

»Ich bleibe gern im Hintergrund«, erwiderte Cat etwas steif. »Am besten ist es immer, wenn die beschützte Person so wenig wie möglich von dem Schutz merkt.«

»Ist ja auch so wahnsinnig unauffällig«, spottete Alida. »Ihr in euren dunklen Anzügen, selbst an den heißesten Sommertagen. Da merkt niemand, dass ihr keine ganz normalen Passanten seid.«

Nun zuckte Cat die Schultern. »Ich versuche immer, mich da anzupassen. Hier wusste ich nur noch nicht, wie der Dresscode sein würde. Und da bleibe ich dann erst einmal beim Standard.«

»Ist das das, was du auch zu Hause trägst?«, fragte Alida herausfordernd und flippte Cats Revers mit ihrem Finger in die Luft. »Tag und Nacht?«

Ja, richtig, sie konnte mit Cat machen, was sie wollte. Das sollte sie ruhig merken.

»Nachts wohl kaum«, gab Cat mit hochgezogenen Augenbrauen zurück. »Außer natürlich, wenn ich nachts arbeite. Wie heute Nacht. Wenn ich in deiner Suite übernachten muss. Da werde ich wohl kaum in einen Schlafanzug schlüpfen.«

Oh ja. Endlich das richtige Thema. Auch wenn Alida nur innerlich grinste, sie tat es.

»Braucht man das? Einen Schlafanzug?«, fragte sie so harmlos, dass es für jemanden wie Cat schon verdächtig sein musste. »Ich schlafe immer nackt.«

Schluckte Cat den Köder? Ja, sie tat es.

Wie Alida es beabsichtigt hatte, musste ihre hochnäsige Beschützerin offensichtlich ein Zusammenzucken unterdrücken.

Alida konnte das Grinsen nun nicht mehr nur in ihrem Inneren lassen. Es schlich sich langsam heraus, und sie spitzte ziemlich zufrieden die Lippen.

Scheinbar völlig gelassen trat sie einen Schritt zurück und musterte Cat noch einmal von oben bis unten. »Sag bloß, das reizt dich nicht.«

Während ihre Lippen sich fast noch mehr spitzten, wartete sie auf Cats Reaktion.

Doch die hatte sich schon wieder gefangen. Das musste das Training sein. »Das hier ist keine Privatveranstaltung«, sagte sie, indem sie Alidas Blick kühl zurückgab. »Für mich jedenfalls nicht. Ich arbeite hier. Deshalb steht so etwas, wie du es da andeutest, überhaupt nicht zur Debatte.«

»Und wenn es . . .«, Alida drehte bewusst eine Schulter in ihre Richtung, sodass auch ihre Brust sich mit zu Cat bewegte, »privat wäre? Ist doch egal, ob du hier arbeitest. Du willst was von mir, das weiß ich ganz genau.« Komm schon. Du willst es doch auch.

Ein paar Sekunden lang musterte Cat sie, als ob sie nun wirklich darüber nachdachte, ob sie sie auf den Boden werfen sollte.

»Ja, stimmt«, bestätigte sie dann unerwartet trocken. Ihre Mundwinkel zuckten sogar. »Ich will was von dir. Mein Honorar. Wenn der Auftrag hier abgeschlossen ist.«

Von dieser Erwiderung war Alida so überrascht, dass sie unwillkürlich ihre Augenbrauen kurz in die Höhe schießen ließ. Dann jedoch überlegte sie es sich anders und senkte sie wieder. Ein bühnenreifes Lächeln überzog ihr Gesicht. Das konnte sie schließlich gut.

»Vorhin warst du doch noch sehr besorgt um mich. Wie alle mich ausnutzen. Und heute Nacht willst du in meiner Suite schlafen. Da sind wir dann ganz allein . . .« Ihre Hüfte folgte der Schulter und schob sich in Cats Richtung vor.

»Da irrst du dich«, sagte Cat. »Für zwei Räume braucht man auch zwei Leute. Eine Kollegin oder ein Kollege wird mich unterstützen.«

Ohne dass Alida es richtig bemerkte, schnellten ihre Hüfte und ihre Schulter zurück. Ihr Gesichtsausdruck wurde ganz leer. Was sie daran erkannte, dass sie ihre Gesichtsmuskeln nicht mehr bewegen konnte.

Sie grummelte innerlich vor sich hin, während sich in ihrem Kopf verschiedene Szenarien abspielten.

Du legst mich nicht flach. Nicht so. Über alles andere können wir reden. Ihre Kiefermuskeln waren so verspannt, dass sie sie mit Gewalt dazu bringen musste herunterzufallen. Es war etwas, das sie schon oft geübt hatte, auch fürs Singen, deshalb gelang es ihr. Dann müssen wir eben andere Saiten aufziehen.

»Hast du Angst, mit mir allein zu sein?«, fragte sie herausfordernd und eindeutig flirtend. Ihre Wimpern klimperten heftig. Das musste doch wirken. Ihr Arm hob sich, und eine Hand legte sich zuerst auf Cats Arm, wanderte dann hinüber zu Cats Brust. »So eine große muskulöse Frau wie du . . . Denkst du, du kannst dich nicht gegen mich wehren?«

Einer solchen Herausforderung konnten Frauen wie Cat nie widerstehen.

Mal sehen, wie sie darauf reagierte.

ENDE DER FORTSETZUNG

Kingsley Stevens: Bühne frei! ⯌ Eine Leseprobe in zwölf Teilen

1 Der Applaus brandete immer wieder hoch. »A-LI-DA! A-LI-DA! A-LI-DA!« Schweißüberströmt saß Alida...
»Du hasst Urlaub.« Indem er sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch abstützte und hochschob,...
Sie probierte mehrere Szenarien aus und war ganz zufrieden. Bezeichnend fand sie dabei, dass ihre...
Die Frage überraschte Alida. Sie war noch so sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen,...
In absichtlich überspitztem Erstaunen wanderten Alidas Augenbrauen Zentimeter für Zentimeter nach...
8 »Bitte, seien Sie ihr nicht böse.« Der Mann, der gerade eben hereingerauscht war, wandte sich...
Forschend blickte Cat sie an. »Sind Sie die Mutter?« Mit einem Lachen schüttelte die ältere Frau...
Es hatte nicht lange gedauert, bis sie Studioaufnahmen machte. Als immer mehr Leute in die Kneipen...
»Hat er das.« Nicht beeindruckt legte Cat die Arme vor sich zusammen. Sie verschränkte sie nicht,...
Gleichzeitig mit dem Ton wurde auch das Licht eingerichtet, und das war fast noch schlimmer. Die...
12 Cat hatte Alida die ganze Zeit im Auge behalten und sah, dass sie schon wieder entwischen...
Cat wollte es offensichtlich nicht zeigen, aber sie wirkte verwirrt. Verwirrt wie jeder normale...