»Das hört sich ja aufregend an.« Danni verdrehte die Augen. »Du weißt wirklich, wie man einen Mann verwöhnt«, scherzte sie, als sie sich auf den Weg machte.
Sylvia grinste. »Genieß den Abend, wir sehen uns morgen.«
Als Danni entspannt in der Wanne lag, begannen ihre Gedanken zu schweifen. Das makellose Gesicht der geheimnisvollen Fremden aus Charlie’s Bar tauchte vor ihrem inneren Auge auf.
Werde ich sie jemals wiedersehen?
Fast ein Monat war mittlerweile vergangen, und die Frau war nicht zu Charlie’s zurückgekehrt. Wahrscheinlich war sie nur auf der Durchreise und wird mir nie wieder über den Weg laufen, dachte sie entmutigt.
Danni schob sich verzweifelt unters Wasser, da hörte sie ein dumpfes Brummen. Sie tauchte wieder auf, wischte sich den Schaum aus dem Gesicht und hörte das Handy klingeln. Schnell trocknete sie sich die Hände, nahm es in die Hand und meldete sich mit einem knappen »Hallo?«
»Hi Danni, ich bin’s, Rebecca.«
»Ja, hi, Rebecca, was gibt’s?«
»Joe ist am Mittwoch nicht in der Stadt und ich dachte, dass du zum Abendessen kommst und na ja . . . du weißt schon . . . über Nacht bleibst. Was sagst du dazu?«, fragte Rebecca aufgeregt.
»Ich kann nicht, Rebecca, Sylvia und ich gehen am Mittwoch aus«, erwiderte Danni mit leichtem Bedauern in der Stimme.
»Kannst du das nicht absagen? Ich brauche dich wirklich, Danni«, flehte Rebecca.
»Nicht so einfach. Sylvia und ich waren schon ewig nicht mehr aus.«
Doch Rebecca gab so schnell nicht auf. »Du kannst doch nach deinem Date mit Sylvia vorbeikommen.« Ihre Stimme hatte an Schärfe zugenommen.
Danni lächelte in sich hinein. Sie wusste, dass Rebecca kein Fan von Sylvia war. »Du weißt ganz genau, dass es kein Date ist. Sylvia ist meine Chefin und eine gute Freundin.«
»Das sagst du immer«, schnappte Rebecca. »Trotzdem, kommst du dann bitte später vorbei?«, bettelte sie wieder in sanfterem Tonfall.
»Ich weiß nicht, wie spät es wird, aber okay, ich komme vorbei«, räumte Danni schließlich ein.
»Prima, ich warte auf dich«, sagte Rebecca zufrieden und legte auf.
Für Danni war klar, dass sie mit dem Feuer spielte, wenn sie mit verheirateten Frauen schlief, aber bislang schien es allen zu gefallen. Danni verstand nie ganz, warum sie verheiratet waren. Rebecca hatte ihr einmal gesagt, sie hätte Joe geheiratet, damit sie alles haben konnte, was sie wollte. Dass auch Joe nicht ganz treu war, dessen war sich Rebecca sicher, aber umgekehrt wäre er alles andere als erfreut, wenn er erfahren würde, dass seine Frau mit einer bekannten Lesbe schlief.
Rebecca konnte sich einfach nicht zurückhalten. Danni war für Rebecca so eine tolle Liebhaberin, dass sie sich oft wünschte, Joe würde sich öfter außerhalb der Stadt treffen. Einmal im Monat oder so schien ihr viel zu selten zu sein.
3
Addison Graves war froh, endlich in ihr neues Zuhause einziehen zu können.
Der Umzug verlief nicht so reibungslos, wie sie es geplant hatte. Die Umzugsfirma hatte nicht nur eine, sondern gleich zwei ihrer schönsten Lampen kaputtgemacht. Die Lampen waren ein Geschenk ihrer Mutter zu ihrem dreißigsten Geburtstag vor neun Jahren gewesen.
Zudem war ihr zwar klar gewesen, dass die Hobson-Farm alt und renovierungsbedürftig war, aber dennoch war sie überrascht, dass die Familie von Mr. Hobson ein solches Chaos hinterlassen hatte. Der verarmte Mr. Hobson war vor ein paar Monaten gestorben, aber die Familie hatte schon über ein Jahr lang versucht, seinen Besitz zu verkaufen, während er in einem Pflegeheim lebte.
Addison hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, sich selbstständig zu machen, und hatte sich nun dazu entschlossen, diesen Schritt zu gehen. Der Familie hatte sie deutlich weniger angeboten, als sie verlangten, aber nach etwas hin und her konnten sie sich einigen.
Addison investierte ihr Geld vor allem in das Land. Das hier war schließlich Prince Edward County, und sie hatte einen großen Teil ihrer Ersparnisse in der Hoffnung riskiert, dass sie die Traubenernte retten und an eine örtliche Weinkellerei verkaufen könnte.
Addison steckte gerade bis zu den Ellbogen in Seifenlauge und wusch die Küchenschränke aus, als es an der Tür klingelte. Weil sie so furchtbar unordentlich aussah, zögerte sie, an die Tür zu gehen, aber ihre Musik lief und die Innentür stand weit offen. Beides verriet, dass sie zu Hause sein musste.
»Hallo?«, rief schließlich eine raue Stimme.
Addison ging zur Tür, wo ein älterer Mann mit wirrem weißen Haar stand. »Hallo«, grüßte sie durch die noch geschlossene Fliegengittertür.
»Ich bin Graham Wilson, Ihr Nachbar«, stellte sich der Besucher vor. Er hielt einen Kuchen in seinen Händen und seinen Hut, den er offenbar zur Begrüßung abgenommen hatte.
Sie öffnete die Tür und streckte ihm die Hand entgegen. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mr. Wilson. Ich bin Addison Graves.«
»Addison. Was für ein hübscher Name.« Sein Lächeln offenbarte eine deutliche Zahnlücke im Unterkiefer.
»Danke«, lächelte sie zurück. »Bitte entschuldigen Sie mein Aussehen, aber ich bin gerade mitten am Putzen.«
»Ach, das macht doch nichts«, winkte ihr Nachbar ab. »Meine Frau Martha hat einen Blaubeerkuchen für Sie gebacken und wollte, dass ich vorbeikomme und Sie in der Nachbarschaft willkommen heiße.«
»Oh, das ist wirklich nett von Ihnen. Kommen Sie doch herein, Mr. Wilson, ich mache hier auf dem Tisch Platz für den Kuchen.«
Graham Wilson musterte den Raum und betrachtete die chaotisch herumstehenden Umzugskartons. »Ist Ihr Mann nicht zu Hause?«, fragte er.
»Nein, ich lebe allein«, erklärte Addison und ärgerte sich über die Vorstellung, dass ein Mann da sein müsste, um sich um sie zu kümmern.
Graham Wilson lächelte. »Sie sind eine dieser jungen, unabhängigen Frauen, was?«
Addison bemühte sich, freundlich zu bleiben, obwohl sie Graham Wilsons Haltung langsam nervte. »Ich möchte einfach versuchen, dieses Weingut wieder profitabel zu machen, um mein eigenes Unternehmen zu gründen.«
Graham Wilson lächelte wieder und seine Zahnlücke kam erneut zum Vorschein. »Also, Mort Hobson hatte in den letzten Jahren, bevor er ins Altersheim ging, seine Ernten aufgegeben. Es wurde zu viel für ihn, die arme Seele. Es wird nicht leicht für Sie werden, junge Dame.«
Was hielt dieser alte Zausel von ihr? »Ich bin nicht naiv, Mr. Wilson«, erwiderte Addison fest. »Mir ist klar, dass es eine Menge Arbeit sein wird, aber ich glaube, ich bin der Herausforderung gewachsen.« Sie versuchte ein zuversichtliches Lächeln.
»Na, dann lasse ich Sie am besten in Ruhe, damit Sie sich wieder an Ihre Arbeit machen können. Wenn Sie etwas brauchen, scheuen Sie sich nicht, zu mir zu kommen«, bot ihr Nachbar an.
»Vielen Dank, das weiß ich zu schätzen. Und Dank auch an Ihre Frau für den Kuchen«, winkte sie ihm zu, als er ging.
Er amüsiert sich wohl prächtig darüber, dass ich ›eine dieser jungen, unabhängigen Frauen‹ bin, die es allein schaffen will. Das wird er schon noch sehen.
Schmunzelnd machte sie sich wieder daran, die Schränke aufzuräumen und zu putzen.