»Das wär’s dann, oder?«, schloss Sylvia ihre Besprechung ab. »Oder hast du noch was?«
»Nein.« Danni schüttelte den Kopf. »Wenn die anderen drei Mädels außer Wendy nachher am späten Vormittag damit anfangen, die Weinproben und Führungen zu machen, sollte alles einwandfrei laufen.«
Sylvia nickte. »Sie arbeiten alle gut zusammen, und noch nie hatte ich solche Probleme wie mit Wendy.« Sie seufzte. »Aber ich kann eben nur den Mindestlohn zahlen für diese Aushilfsjobs. So leid es mir tut.«
»Es muss dir nicht leidtun«, sagte Danni. »Sie haben gewusst, worauf sie sich einlassen.«
Mit einem merkwürdigen Blick sah Sylvia sie an. »Und du? Weißt du, worauf du dich einlässt?«
Danni wusste genau, worauf Sylvia anspielte. Auf Rebecca und andere Frauen wie Rebecca, mit denen Danni herummachte. Deshalb hatte Danni nicht den besten Ruf in einigen Teilen der Stadt. Und das konnte sich auf den Ruf des Weinguts auswirken, an dem Sylvia so viel lag.
Schnell stand Danni auf. »Ich sollte ins Lager. Die Kisten einräumen, die gestern so spät gekommen sind. Die mit den neuen Flaschen.«
»Ja, sicher –«, setzte Sylvia an, aber sie konnte den Satz nicht mehr in Dannis Anwesenheit beenden, denn die war schon durch die Tür zum Lager hinausgerast.
Sie schüttelte den Kopf. »Irgendwann muss ich wirklich mal über gewisse Dinge mit dem Mädel reden, besonders über Rebecca Hollander«, murmelte sie vor sich hin. »Das ist noch ihr Untergang.«
Aber sie wusste auch, dass Danni das nicht so sah und dass es schwer werden würde, sie davon zu überzeugen.
Die Sonne schien hell und warm, was für die Pflanzen auch nötig war. Die Rebstöcke mussten ebenso trocknen wie der Boden, denn der letzte Schneefall war erst zwei Wochen her, und in den vergangenen drei Tagen hatte es geregnet.
Danni verbrachte die meiste Zeit des Tages in den Rebfeldern und genoss die Sonne, während sie die Rebstöcke festband und alle Pfähle auf Risse oder Beschädigungen vom langen Winter überprüfte. Was zu morsch geworden war, musste ausgetauscht werden.
Sie liebte das Arbeiten in der freien Natur. Es gab ihr ein Gefühl von Freiheit. Aber anstrengend war es trotzdem.
Am Ende des Tages war sie recht müde und hätte sich in dieser Nacht endlich einmal ausschlafen können. Wenn sie sich dafür entschieden hätte.
Aber es war Freitag. Und da standen zuerst einmal andere Beschäftigungen an als schlafen.
Sie machte sich auf den Heimweg und holte sich unterwegs eine Pizza. Zu Hause schnappte sie sich noch ein Bier und verschlang ein Stück von der Pizza, während sie sich auszog, alles gleichzeitig.
Mehr Zeit wollte sie sich zum Essen und Trinken nicht nehmen, denn sie fühlte schon, wie die Unruhe in ihr kribbelte.
Nachdem sie geduscht hatte, schlüpfte sie in eine saubere Jeans und ein frisches T-Shirt. Das reichte ihr als Ausgeh-Outfit. Mehr brauchte sie nicht.
Sie grinste, als sie daran dachte, dass es sich wahrscheinlich sowieso nicht lohnen würde, mehr anzuziehen, weil es ihr sowieso bald wieder jemand ausziehen würde. Eine Frau, die sie in Charlie’s Bar, etwa zehn Kilometer außerhalb der Stadt, kennenlernen und mit der sie nach Hause gehen würde.
Wie so oft am Freitagabend war die Frage nicht ob, sondern nur mit wem. Denn Danni ging selten allein nach Hause.
Charlie’s Bar war ein beliebter Treffpunkt, die einzige Schwulenbar in der Gegend, für die man nicht in die größeren Städte fahren musste. Der Freitagabend war für die Lesben reserviert, Dannis Lieblingsabend in der Woche.
Als sie den Taxifahrer bezahlte, hörte sie bereits die Musik aus der Bar dringen.
»Hi Danni, was darf es heute Abend sein?«, fragte die Barkeeperin Toni hinter der Theke, als sich Danni zum Tresen vorgearbeitet hatte.
»Ein Canadian, bitte.« Danni trank eigentlich immer dasselbe Bier, deshalb musste sie nicht lange überlegen.
»Kommt sofort.« Toni nickte und machte sich an die Arbeit.
Gleich darauf mischte Danni sich mit ihrer Bierflasche unter die Menge, grüßte die, die sie kannte, schwang die Hüften mit anderen auf der Tanzfläche, um schon mal die Frauen abzuchecken. Niemand hatte etwas dagegen, denn alle wussten, das war eben Danni. Sie erwarteten es sogar von ihr.
Ein paar Tische weiter entdeckte sie einige Stammgäste und ging zu ihnen.
»Hey, was geht ab?«, rief sie über die Musik hinweg.
»TGIF!«, brüllte Cheryl die übliche Abkürzung für Gottseidank ist Freitag und hielt ihr Bier zum Toast hoch.
Danni plauderte eine Weile mit ihnen, während ihre Blicke ständig durch die Bar schweiften. Währenddessen trank sie Schluck für Schluck ihr Bier aus und holte sich dann ein weiteres.
Schließlich zog es sie erneut auf die Tanzfläche, diesmal nicht nur zum Abchecken, sondern richtig. »Zeit zu tanzen, Cheryl, komm schon.« Sie ergriff Cheryls Hand und zog sie mit sich.
Aber schon nach ein paar Liedern geriet Cheryl außer Atem und musste sich eine Weile setzen.
Danni schnappte sich eine andere Frau und tanzte weiter. Jede kannte das von ihr und kaum eine Frau sagte Nein, wenn Danni sie aufforderte.
Ein jüngeres Mädel tauchte auf und schloss sich ihnen an. Zuerst tanzte sie nur neben Danni, dann kam sie immer näher, bis ihre Hüften sich hin und wieder wie zufällig berührten.
Danni warf kurz einen Blick zu ihr und bemerkte ihre glänzenden Augen. Sie schienen Danni beinah aufzufressen.
Die steht offensichtlich total auf mich, dachte Danni.
Ganz automatisch lächelte sie das Mädel an, aber das war der falsche Weg. Jedenfalls, wenn sie nichts mit ihr anfangen wollte.
»Du bist Danni, oder?«, hauchte die Kleine.
»Hm.« Danni nickte nur.
»Tanzt du mit mir?«
»Ich wollte sowieso noch was trinken«, sagte die Frau, mit der Danni bisher getanzt hatte. Sie drehte sich um und ging zur Bar.
Scheiße. Danni sah ihr nach, aber es war zu spät. Die Kleine schmiss sich schon an sie ran.
Danni fühlte sich davon zwar geschmeichelt, aber sie konnte mit dem jungen Mädel irgendwie nichts anfangen. Meistens spielte das keine große Rolle, Sex war Sex, aber die Kleine war irgendwie überhaupt nicht ihr Fall.
»Ich müsste mal . . . für kleine Jungs.« Sie flüchtete auf die Toilette, um den Anbaggerungsversuchen zu entkommen.
Als sie zurückkam, hatte die Kleine sich verzogen. Danni sah sie nicht mehr.
Später, als sie am Tisch stand und ein weiteres Bier trank, entdeckte Danni in der hinteren Ecke des Lokals eine blonde Frau, die allein an einem Tisch saß. Sofort öffneten sich Dannis Augen interessiert. Lange blonde Haare hatten sie schon immer angezogen. Die Frau sah umwerfend aus. Und Danni kannte sie nicht.
Aber war sie wirklich allein? Vor ihr auf dem Tisch stand ein zweites Glas, halb voll. Das musste jedoch nichts bedeuten. Jemand konnte es dort vergessen haben oder einfach nur gerade auf der Tanzfläche sein, ohne dass sie zu der Frau gehören musste.
Danni beschloss, dass diese schöne Blondine diejenige war, mit der sie heute Abend nach Hause gehen wollte. Daher musste sie zuschlagen, solange die Frau noch allein war. Auch wenn das zweite Glas einer Frau gehörte, die ebenfalls Ansprüche an die Blonde hatte. Aber so etwas konnte man ändern. Darin hatte Danni Erfahrung.