Ihr Mann stimmte ein und hob ebenfalls sein Glas. »Graham«, sagte er knapp.
»Also dann«, Addison stieß mir ihnen an, »Addison.«
Sie ließen die Gläser erklingen.
»Und mach dir keine Gedanken«, sagte Graham an Addison gewandt. »Martha kocht zwei-, dreimal die Woche so reichlich. Und was sie aus den Resten zaubert, ist mindestens genauso lecker.« Er griente wie ein Honigkuchenpferd. »Wie sollte ich sonst diese beeindruckende Figur halten können?«, lachte er und klopfte sich auf seinen beleibten Bauch.
Addison lächelte. Die zwei waren ein süßes altes Paar. Sie hätte viel schlimmere Nachbarn haben können.
Dann griff Graham nach der ersten Schüssel, bediente sich und reichte sie Addison. »Hau rein! Nicht so schüchtern, du musst bei Kräften bleiben, wenn du vorhast, dich die ganze Saison über um das Weingut zu kümmern.«
»Danke.« Addison nahm die Schüssel. »Das habe ich vor, obwohl ich sagen muss, dass der Ort in einem viel schlechteren Zustand ist, als ich erwartet hatte.«
»Ehrlich gesagt, das überrascht mich nicht. Mr. Hobson hatte ein paar Jahre lang nichts getan, bevor er ins Heim kam«, fügte Martha hinzu.
»Aber davor war er ein sehr fleißiger Mann«, wand Graham ein. »Ein Jammer, dass sich seine Familie nach dem Tod seiner Frau nicht besser um ihn gekümmert hat.« Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Wir haben im Laufe der Jahre oft zusammengearbeitet. Er war ein guter Freund und er hat hart gearbeitet. Lass dich von dem Zustand seines Hauses nicht täuschen, so hat er nicht gelebt, als es ihm noch gutging«, sagte Graham ein wenig melancholisch.
Addison hob ihr Glas. »Ich möchte einen Toast aussprechen«, sagte sie, während sie darauf wartete, dass die beiden ihre Gläser nahmen. »Auf alte Freundschaften, auf neue Freundschaften, und in der Hoffnung, dass ich sein Haus wieder zum Leben erwecken und ihn stolz machen kann.«
»Sehr schön, Addison«, beglückwünschte Martha sie. »In der kurzen Zeit, in der du hier bist, hast du schon einiges geleistet. Es sieht dort drüben wirklich gut aus.«
»Darf ich euch ein paar Fragen stellen?« Addison wollte das Thema wechseln und die Meinung ihrer Nachbarn zu einigen Dingen hören. So, wie sie Graham einschätzte, würde er sicherlich mit der Wahrheit nicht hinterm Berg halten. Sie nickten, und Addison fuhr fort: »Trinkt ihr eher Wein von den örtlichen Weingütern, oder kauft ihr lieber im Spirituosengeschäft?«
»Wir unterstützen auf jeden Fall unsere lokalen Erzeuger und Unternehmen«, erwiderte Graham. »Wir probieren zwar immer wieder die neuen Weine von allen Weingütern, aber wir haben definitiv unsere Favoriten.«
»Darf ich fragen, welche?«
»Carter’s Winery«, antwortete Martha.
»Der beste Wein in ganz Prince Edward County«, prahlte Graham. »Sylvia ist die netteste Frau, die ich je kennengelernt habe, und sie hat auch einen guten Geschäftssinn.«
»Sylvia ist die Besitzerin?«, fragte Addison neugierig geworden.
»Ja, eine tüchtige Unternehmerin«, sagte er.
»Und was gefällt euch an ihren Weinen besser als an den anderen?«
»Sie scheint alles zu einer Kunstform erhoben zu haben. Vor ein paar Jahren haben wir eine Tour mit Sylvia gemacht, sie kennt sich richtig gut aus. Der Wein spricht für sich selbst, vollmundig und mit delikaten Aromen. Wir sind keine Weinkenner, aber wir wissen, was uns schmeckt«, schloss Graham.
Martha räumte den Tisch ab, während Graham und Addison sich weiter unterhielten.
Kurz darauf kehrte Martha mit Dessert und Tee aus der Küche zurück.
Graham blickte zu ihr hoch. »Ist das der Pudding?«, fragte er.
»Ja, mein Lieber, das ist er.«
Graham stellte einen Teller vor Addison hin. »Bitte sehr, der Beweis liegt im Pudding«, lachte er wieder über sich selbst und sah Martha an, die ebenfalls ein breites Grinsen auf dem Gesicht hatte.
»Oh, Graham, du bist ein alter Narr«, sagte Martha lächelnd.
Addison schaute reichlich verwirrt in die Runde.
»Was Graham meint«, klärte Martha sie auf, »ist, dass das meine Version von hausgemachtem Brotpudding ist, und meine besondere Zutat ist ein bestimmter Wein von Carter’s Winery. Er meint diese Redewendung also ganz wörtlich. Diesen Spruch bringt er immer wieder an, und er bringt mich immer noch zum Lachen.«
Graham hatte seinen Semmelauflauf mittlerweile verputzt und saß da wie die Katze, die den Kanarienvogel gefangen hat. Er war so stolz auf seinen Sinn für Humor.
»Das ist wirklich köstlich!«, lobte Addison.
»Ich habe dir ja gesagt, dass der Pudding außergewöhnlich ist«, bemerkte Graham stolz und zwinkerte Martha noch einmal zu.
Addison musste über die beiden lächeln. Die Art, wie sie sich gegenseitig Komplimente machten, war hinreißend.
Sie trank in aller Ruhe ihren Tee, half dann Martha beim Abwasch und ging schließlich wieder hinüber in ihr Haus.
6
Addison begann endlich damit, auf ihrem Rebfeld zu arbeiten. Doch jedes Mal, wenn sie etwas brauchte, musste sie zurück in die Scheune laufen, in der Werkzeuge und Geräte lagerten. Es dauerte nicht lange, bis ihr klar wurde, dass sie auch ein paar neue Anschaffungen machen musste, aber für heute würde sie sich mit dem begnügen müssen, was sie hatte.
Sie trug zwar Handschuhe, aber die Schere zum Beschneiden der Reben war nicht besonders scharf. Nach einer Weile taten ihr immer mehr die Hände weh, und als sie kurz nach Mittag eine Pause einlegte und die Handschuhe auszog, sah sie erst, wie schlimm es um ihre Hände stand.
Ihre Finger hatten Risse, die bluteten, und an den Innenseiten beider Hände, direkt unter den Daumen, waren Blasen aufgeplatzt. Addisons Hände brannten vor Schmerz.
So konnte es nicht weitergehen. Sie musste noch heute nach Kingston fahren und richtiges Werkzeug besorgen.
Zuerst wollte sie sich um die großen Geräte kümmern. Sie brauchte ein Gator-Nutzfahrzeug mit Anhänger, also fuhr sie zu John Deere.
Kaum hatte sie den Ausstellungsraum betreten, kam ein geschniegelter Verkäufer auf sie zu. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich möchte mich erst einmal umsehen, danke«, wiegelte sie höflich ab.
»Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie Fragen haben.«
»Mach ich.«
Doch Addison war erst dazu gekommen, sich zwei Modelle anzusehen, als der Verkäufer wieder neben ihr auftauchte. »Dieses Modell ist ein Verkaufsschlager«, informierte er sie und zeigte auf das Gerät vor ihr.
Addison sagte nichts, sie nickte nur. Sie hielt nichts von aufdringlichen Verkäufern. Sie wollte sich erst einmal selbst einen Überblick verschaffen.
»Wenn Sie wollen, kann ich ihn für Sie vorführen«, bot der Verkäufer ungefragt an.
»Ich glaube, ich hatte erwähnt, dass ich mich erst einmal umsehen wollte«, erinnerte sie ihn höflich, aber bestimmt daran.
»Aber natürlich, kein Problem, nehmen Sie sich Zeit.« Er trat zwar einen Schritt zurück, aber offensichtlich sah er in Addison nur eine heiße Blondine, die er allzu gern in sein Bett gezerrt hätte.
Addison ignorierte den Schnösel, nahm sich Zeit und studierte alle Modelle, die für sie infrage kamen.
Schließlich blickte sie auf und wandte sich an den Verkäufer. »Was können Sie mir über den Polaris und den Gator da drüben sagen?«, fragte sie und zeigte auf die Fahrzeuge.