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Danni wachte vom nervigen Summen ihres Weckers auf. Mit einem routinierten Griff drückte sie auf die Schlummertaste und ließ sich noch zehn Minuten Zeit, bevor sie sich aus dem Bett quälen musste. Sechs Uhr morgens kam ihr immer sehr früh vor, wenn sie mit Rebecca aus gewesen war.
Schon seit einer ganzen Weile vergnügten sich Danni und Rebecca Hollander miteinander – und zwar immer dann, wenn Rebeccas Ehemann Joe geschäftlich unterwegs war. Was recht oft vorkam. Dann rief Rebecca stets nach Danni, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen.
Das war keine Liebesbeziehung. Die hatte Rebecca mit Joe. Sie liebte ihn wirklich, jedenfalls behauptete sie das. Nur im Bett, da war Joe eine absolute Niete. Und diese Lücke wusste Danni zu Rebeccas Vergnügen mit Bravour zu füllen.
Danni machte es nichts aus. Rebecca war sehr attraktiv und eine Bombe im Bett, der Sex mit Rebecca machte Spaß, und mehr erwartete Danni auch nicht von ihr.
Nach dem nervig summenden Wecker meldete sich der Radiowecker mit Musik, als sie schon wach war. Das war die wesentlich angenehmere Methode, aber nur mit dem Radiowecker hatte Danni schon mal verschlafen, deshalb baute sie ein Sicherheitsnetz ein, das der zweite Wecker darstellte.
Als die letzten Töne des Liedes im Radio verklangen, begannen die Nachrichten. Für Danni fing der Tag an, sobald die Nachrichten vorbei waren. Dann stand sie auf. Duschen und einen schnellen Happen essen, so begann ihr Morgen für gewöhnlich.
Trotz der kurzen Nacht begegnete Danni dem Sonnenschein dieses aufdämmernden Frühlingstages erfrischt und mit neuer Energie. In den letzten sieben Jahren war es kaum je anders gewesen. Die Arbeit bei Carter’s Winery hatte Dannis Leben einen echten Sinn gegeben. Einen Sinn, den es zuvor nicht gehabt hatte. Sie liebte ihren Job mit den täglich neuen Herausforderungen.
Bevor sie auf dem Weingut angefangen hatte, war es ganz anders gewesen. Da hatte Danni sich ziemlich wertlos gefühlt. Ein hartes Leben hatte ihr wenig erspart.
»Guten Morgen, Sylvia«, begrüßte sie fröhlich ihre Chefin, die Besitzerin des Weinguts, als sie deren Büro betrat.
»Hi Danni«, erwiderte Sylvia lächelnd. »Du bist zu früh.«
Auch wenn Danni ihre Angestellte war, war Sylvia ihr im Laufe der Zeit doch auch eine gute Freundin geworden. Wofür Danni sehr dankbar war, denn mit ihren siebenunddreißig Jahren war Sylvia fast so etwas wie eine große Schwester für sie, die sich um sie kümmerte und ihr Ratschläge gab.
»Bin ich doch immer.« Danni grinste. »Exakt zwanzig Minuten vor Arbeitsbeginn. Damit ich mir noch meinen Morgenkaffee machen kann und du mir das nicht von der Arbeitszeit abziehst.«
»Das würde ich doch nie tun.« Immer noch lächelnd schüttelte Sylvia den Kopf. »Du bist meine beste Mitarbeiterin. Engagiert, zuverlässig und sehr stolz auf deine Arbeit. Immer kann ich mich auf dich verlassen. Ich kann mich glücklich schätzen, dich zu haben. Meinst du nicht, das ist einen Kaffee während der Arbeitszeit wert?«
»Für dich vielleicht. Für mich nicht«, gab Danni grinsend zurück. »Nachher steht in meinem Zeugnis für meinen nächsten Job Sie zog Kaffeetrinken dem Arbeiten vor. Das möchte ich auf keinen Fall.«
»Hat dir mal wieder jemand einen Job angeboten?«, fragte Sylvia. »Eine andere Weinkellerei?«
»In letzter Zeit nicht.« Danni zuckte die Schultern. »Waren ja auch schon genug.«
»Und du hast sie alle abgelehnt, um bei mir bleiben zu können«, erwiderte Sylvia beinah selbst ein bisschen stolz. »Du bist mir immer treu geblieben.«
»Das ist doch selbstverständlich«, sagte Danni und lächelte Sylvia an. »Du bist die Beste.«
»Ohne dich würde hier alles im Chaos versinken«, behauptete Sylvia. »Nur deine Routine, ganz früh am Morgen den Tagesplan durchzugehen, um eventuell auftauchende Probleme zu bewältigen, immer mit dem Ziel, alles, was im Tagesplan steht, zu erledigen, hält alles zusammen.«
»Das hält vor allen Dingen mich zusammen«, entgegnete Danni gutgelaunt, während sie ein Bein über den Stuhl schwang, der Sylvias Schreibtisch gegenüberstand, um sich zu setzen. »Damit es zum Schluss nicht mein Chaos ist, das mich zusammenbrechen lässt.«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, widersprach Sylvia. »Das ist in sieben Jahren nicht ein einziges Mal passiert.«
»Eben deshalb, weil ich immer zwanzig Minuten früher komme und mich auf den Tag vorbereite«, sagte Danni. Darauf war sie ziemlich stolz. Denn das war nicht immer so gewesen.
»Dann lass uns mal loslegen«, sagte Sylvia.
Danni lächelte. »Ja, dann mal los«, antwortete sie wie immer.
Sylvia grinste, weil Dannis Antwort immer dieselbe war. »Und, wie war die letzte Nacht?«, fragte sie.
»Ich habe mich wieder mit Rebecca getroffen«, antwortete Danni ohne Zögern.
Sylvia schüttelte den Kopf. »Ich kann diese Frau nicht ausstehen. Sie nutzt dich doch nur aus.«
»Ja, und ich benutze sie.« Danni zuckte mit den Schultern. Sie fand, das war keine große Sache, auch wenn Sylvia das vielleicht anders sah.
In diesem Moment bimmelte die Türglocke. Sylvia stand auf und ging nachsehen, ob ein Kunde gekommen war, Danni folgte ihr. Doch es war Wendy, die Aushilfskraft, die wie immer ein wenig zu spät kam.
Sylvia schaute ostentativ auf die Uhr, um Wendy an die Zeit zu erinnern.
»Tut mir leid, dass ich zu spät bin.« Wendy lächelte entschuldigend, warf ihre Handtasche unter den Tresen und steckte sich ihr Namenschild an, das man im Laden tragen musste.
»Wendy, als ich dich für diese Saison eingestellt habe, habe ich dir gesagt, wie wichtig es ist, dass du zuverlässig bist und dass ich mich auf dich verlassen kann.« Sylvia machte ein strenges Gesicht. »Du hast erst letzte Woche angefangen und bist schon fast jeden zweiten Tag zu spät gekommen.«
»Tut mir leid, Sylvia. Ich werde versuchen, mich zu bessern.« Wendys Stirn runzelte sich. »Gestern Abend war ich mit meinen Freundinnen aus. Da haben wir beim Quatschen irgendwie die Zeit vergessen.«
»Das ist keine Entschuldigung. Ich brauche jemanden, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann.« Sylvia warf einen Blick auf Danni. »Sobald die Touristensaison in vollem Gange ist, geht es hier drunter und drüber.«
Wendys Blick schweifte ebenfalls kurz zu Danni, und es schien Danni, dass es kein allzu freundlicher Blick war. Na ja, niemand mochte es, wenn er einen anderen als Vorbild hingestellt bekam.
»Du kannst dich ab jetzt wirklich auf mich verlassen«, flehte Wendy mit einem halbherzigen Lächeln, nachdem ihr Blick wieder zu Sylvia zurückgekehrt war.
»Das hoffe ich.« Erneut setzte Sylvia ihr strenges Gesicht auf, von dem Danni wusste, dass sie es nicht gern tat.
Sie selbst hatte sich noch nie so einen Blick eingefangen, und bisher hatte Sylvia mit ihren Mädels, die sie für die Saison einstellte, eigentlich auch immer Glück gehabt. Aber diese Wendy konnte ein Problem werden.
Gleichzeitig sah Danni sich jedoch auch selbst in Wendy und verstand sie in gewisser Weise. Früher war sie selbst ja auch nicht viel anders gewesen.
Aber damit konnte sie sich jetzt nicht beschäftigen. Das war in erster Linie Sylvias Problem. Wendy hatte sie beide schon viel zu viel Zeit gekostet. Daher kehrten sie in Sylvias Büro zurück und begannen mit der Besprechung des Tagesplans.